"Wolltest du schon immer schreiben?"
"Nein." "Ach, echt nicht?" "Nein, echt nicht." "Komisch." Nein, eigentlich ist es plausibel. Irgendwann nach dem Abitur habe ich mich entschieden, mit bewegten Bildern zu arbeiten: Kameras schwenken, Szenen schneiden. Der Dokumentarfilm interessierte mich immer mehr, als das Artifizielle des Spielfilms. Echte Menschen. Echte Geschichten. Ich studierte Germanistik und Publizistik mit den Schwerpunkten Film und Fernsehen. Es folgten Regie- und Dokumentarfilmseminare in Madrid und New York - vorzugsweise mit griesgrämigen Dozenten, die ganztägig Lederwesten trugen. Ganz sicher muss das am Thema gelegen haben: Lederwesten waren unter Filmmenschen damals irgendwie cool. Mein Studium in Deutschland war dagegen rein modetechnisch betrachtet eher ein tiefer Absturz in die Wollpulli-Kultur. Egal. Ich wurde Fernsehjournalist. Hunderte Geschichten habe ich erzählt, und ich bin immer noch nicht fertig. Vielleicht, weil ich gerne Fragen stelle. Vielleicht, weil ich unsinnige Antworten einfach nicht akzeptieren kann. Ganz sicher aber, weil ich einen ganz tiefen Glauben an Fakten besitze - und darum zu kämpfen lohnt sich immer. Wirklich. Immer. Das Schreiben kam erst später dazu. Wer schreibt, muss sich mit sich selbst auseinandersetzen. Es gibt kein Team, das den Produktionsprozess begleitet. Du bist allein mit dir und deiner Geschichte. Es sind deine Figuren, deine Story und deine Erfahrungen, die den Lesern da draußen hoffentlich gefallen. Es ist eine Reise in einen fremden Kopf. Die Tür ist offen. |
Recherche. Recherche. Recherche. Ich glaube gar nichts, bevor ich es nicht selbst probiert habe.
Ist es möglich, ein Opfer in einem Kontrabasskoffer zu transportieren? Taugen stillgelegte Wildkammern für Mordrituale? Wie kompliziert ist es, jemanden aus seiner Wohnung zu entführen und über das Dach eines Mietshauses zu verschleppen? Auch die Mechanik des Wahnsinns unterliegt physikalischen Gesetzen. Ohne Probieren gibt es keine Antworten. Unter normalen Umständen habe ich schon Schwierigkeiten, einen Nagel in die Wand zu schlagen, aber ohne meine Experimente könnte ich keinen Thriller schreiben. Manchmal tun mir meine Freunde leid - aber bessere Tester gibt es wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht. Nicht für mich. Tausend Dank an euch. Ganz ehrlich. |
"Nehmen Sie den hier. Ist auch ganz günstig." Der Verkäufer in dem kleinen französischen Laden im 13. Arrondissement hat frech gelogen. Mein Schreibtisch war weder billig noch besonders robust. Er ist ein termitenzerfressenes Monstrum aus Holz, auf dem ich schreibe, auf dem ich mir die Haare raufe und die Asche meiner Zigarillos gleichmäßig verteile.
Auf meinem Schreibtisch herrscht das Chaos. Das hölzerne Ungetüm steht in der Mitte meines Arbeitszimmers. In der Regel laufe ich um ihn herum, schimpfe auf meine Lieblingslektorin, spreche Dialoge laut vor mir her und stoße mir die Knie an den Tischbeinen. Mein Schreibtisch ist mein stiller Begleiter - aber sollte er eines Tages zu mir sprechen - es würde mich nicht verwundern. Dafür teilen wir beide schon zu viele gemeinsame Jahre - wie in einer Ehe, die man aus Bequemlichkeit einfach nicht beenden will. So sind wir beide eben. |
Brauchen gute Geschichten immer ein strahlendes Happy End? Eigentlich eine merkwürdige Frage, und doch habe ich darüber lange nachgedacht. Meine Hausmeisterin sagt immer: "Also, Junge, echt jetzt. Wenn so ein Buch auch noch böse endet, wie soll ich denn da noch ruhig schlafen? Ich brauch mal'n bisschen was Warmherziges."
Ich mag meine Hausmeisterin. Sie ist eine großartige Philosophin der Neuzeit, ohne es zu ahnen. Aber mal ehrlich: Wenn jede Geschichte hundertprozentig gut enden würde - das wäre doch zu simpel. Wir würden die ersten Seiten eines Romans lesen und wüssten im selben Atemzug, dass sich die Welt am Ende unberührt um ihre eigene Achse weiterdreht. Das gefällt mir nicht. Wie wäre es mit einem bittersüßen Ende? Geschichten müssen manchmal auch wehtun. Bücher, die uns Wunden zufügen, vergessen wir nicht so schnell. Und wir lernen mehr daraus. A bittersweet ending - das gefällt mir gut. Sehr gut sogar. |