DER FRECHE TRICK MIT DEM MÄNNERBAUCH"Du bist´n Betrüger. `Ne ganz schäbige Nummer ziehste hier ab. Sag ich dir direkt ins Gesicht. So." Mirko der Maler ist empört. In seinen wässrigen grau-blauen Augen tobt ein Sturm der Empörung. Er stemmt seine verklecksten Finger in die Hüften, zuppelt an den Trägern seines Maleranzugs herum und starrt den Videothekenmann so böse an, als würde er ihm den Kopf abbeißen wollen. Die beiden sind Freunde. Ganz dick. Unzertrennlich. Aber jetzt sind düstere Wolken am Himmel der Männerkumpanei aufgezogen. "Ich weiß nich, was du hast. Das is doch kein Verbrechen. Was zickst du denn so rum?", G. steht vor seiner Videothek und zuckt ratlos mit den Schultern. Ich bin auf dem Weg zum Supermarkt, und natürlich verlangsame ich meine Schritte vor der kleinen Schmuddelbude. Das macht man ganz automatisch, wenn man einen Unfall näher betrachten möchte. Ein Riesenfehler. Mirko zieht mich sofort auf sein brennendes Schlachtfeld. "Gut, dass du vorbeikommst. Jetzt guck dir den mal an. Guck, guck..." Ich gucke. Aber ich sehe nichts. G. rollt genervt mit den Augen und zieht seinen Grobstrickpullover hoch. Dann sehe ich es doch. "Ein... Bauchweggürtel...? " "Jaaaaa, ganz genau... ein Bauchweggürtel. Der Kerl klemmt sich die Wampe weg, damit er für seine neue Freundin attraktiver wirkt. Is doch unfassbar...", bellt Mirko über die Straße. Ich bestaune noch immer das elastische Band über G´s Bauch. Er sieht tatsächlich straffer aus. Gepresst. Wie eine pralle Teewurst, in die man am liebsten eine Gabel stechen möchte. G. zieht den Pullover schnell wieder runter. "Du hast ihm das freiwillig gezeigt?", frage ich. Er senkt mit einem Anflug von Beschämung den Kopf. "Neee, als ich `nen Bierkasten hochgehoben habe, hat er´s gesehen. Und dann macht er gleich so´n Theater. Kapier ich nich." Darauf hat Mirko nur gewartet. Er piekst mit seinem Zeigefinger anklagend Löcher in die Luft. "So was macht ´n vierzigjähriger Mann nich. Das is ´n Mädchending. Für so ´ne Vertuschungsnummer Geld auszugeben... du spinnst doch. Oben das Bier reinkippen und dann unten den Bauch abklemmen. Neeee..." "Das habe ich im Schrank von meinem Vater gefunden. Is nix mit Geld", G. strahlt über das ganze Gesicht. Logisch. In diesem Duell zählt jedes Wort. Aber Mirko hat schon längst nachgeladen. "Ach, bei deinem Papi, ja? Is wohl so´ne generationsübergreifende Betrugsmasche in deiner Familie. Und wenn du mal Kinder hast, schnallst du denen auch so ´nen Speckweg-Gürtel um, oder wie?" "Also, das verstehe ich nicht", ich piekse G. mit dem Finger in den Bauch, "wenn du das Ding für deine neue Freundin trägst, dann musst du es doch nachts abnehmen. Da fliegt der Schwindel doch auf." G. beugt sich verschwörerisch vor. Auf seinen Lippen liegt ein überhebliches Lächeln. "Das ist doch Psychologie, verstehste? Ich hab neulich mal gelesen, dass der Eindruck, den du am Tag machst, einprägsamer ist, als der in der Nacht. Verstehste meinen Plan? Kapierste?" Habe ich verstanden. Und Mirko auch. Er lacht hysterisch. "Neee, also neee, das is mir zu dicke. Für seine Freunde hat er keine Zeit mehr. Geht ja jetzt alles für seine neue Schickse drauf. 12 Jahre jünger is die. Wenn die dich sitzen lässt, musste bei mir nich wieder zum Jammern vorbeikommen, das sag ich dir aber mal." Mirko ist beleidigt. Und zornig. Vielleicht auch ein bisschen verzweifelt. Er wendet sich mir demonstrativ zu. "Wollen wir ´n Bier trinken gehen?" "Also... ich trinke doch kein Bier." "Na dann ´nen Kaffee." "Ach..., den mag ich eigentlich auch nicht." Er patscht sich sinnentleert die Hände vor die Stirn. "Mensch, was ist bei euch denn bloß los? Was seid ihr denn für Männer? Also nee, da bleib ich lieber auf meiner Baustelle. So was... mir reicht das mit euch." Er wendet sich mit einem divenhaften Hüftschwung um und marschiert im Nieselregen die Straße hinab. Seine Nase ist gen Himmel erhoben. Sein Blick stur geradeaus gerichtet. Die roten, blauen und gelben Kleckse auf seinem Maleranzug werden immer kleiner, bis sie ganz verschwunden sind. G. interessiert sich nicht mehr für seinen alten Freund. Er steht vor dem Fenster seines Ladens und betrachtet sich wohlwollend im Glas der Scheibe. Zufrieden trommelt er mit den Fingerspitzen auf seinem Bauch herum. "Meinst du, ich sollte mal was mit meinem Haar machen. Vielleicht Strähnchen oder so...? Is´ ja nur ´ne Idee. Was meinste? Könnte gut kommen, oder?" "Klar. Warum nicht. Da hinten gibt es einen Friseur, der feilt dir die Finger und verabreicht dir auch noch gleich eine Portion Botox. Das volle Programm." G. wippt auf seinen kleinen Füßen hin und her und lächelt mich breit an. "Siehst du? Du verstehst mich wenigstens. Jaaaaa, du schon..." Für einen Moment nur huscht so ein kleiner Schleier der Nachdenklichkeit über sein Gesicht. Vielleicht eine Sekunde des Erkennens, die ihm die Absurdität der Szene verstehen lässt. Er blickt die Straße hinab. "Du meinst den Friseur da hinten? Den neben der Post? Gucke ich mir mal gleich an..." Der Moment war vorbei. Schade. Kommentare sind geschlossen.
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