HUSCH, HUSCH, AUF UND DAVON...Die wirren Weltlinge gehen in die Sommerpause. Spät - aber sie tun es. Verliebte Videothekenmänner, freche Wurstverkäufer, intrigante Hausmeister, verschlagene Senioren, rotzfreche Kids , verrückte Tätowierer und Claudine - wir alle kehren am 16. September zurück. Es ist unvermeidlich... DIE SCHLACHT AM GRILLDiesmal falle ich nicht darauf rein. Diesmal nicht... Ich stehe im Volkspark Friedrichshain. Vor mir eine gewaltige Grillpfanne, mit der man problemlos ein spartanisches Heer versorgen könnte. Claudine, Petra und Bernd blicken mich erwartungsvoll an. Sollen sie ruhig. Die Nummer kenne ich schon. "Nein. (lauter) Nein. (sehr laut) Nein. Ich habe es euch gleich gesagt. Diesmal wirft jemand anders den Grill an. Ich bin es leid. Ständig muss ich mit dem Feuer rumhantieren. Diesmal macht es jemand anders. Ich bin raus. Klar?" Getuschel. Verunsicherung. Empörung. "Guck dir mal meine Fingernägel an", Claudine schwenkt sie anklagend für alle anderen gut sichtbar hin und her, "French Nails. Die kann ich mir doch nicht ruinieren. Das hat mich 50,- Euro gekostet." "Pro Finger also fünf Euro?" Claudine, Bernd und Petra rechnen angestrengt nach. "Ja, kommt hin", Claudine guckt mich in vollendetem Misstrauen an. Ich erlöse sie. "Zum Kohle auflegen und Feuer entfachen brauchst du nur zwei Finger. Ich gebe dir nachher zehn Euro, und das Thema ist abgehakt. Deal?" "Also weißt du. Du hast ja wohl von Frauen gar keine Ahnung, was? Also echt, immer diese irren Ideen. Nein, wirklich..." Sie verschränkt die Arme und guckt schmollend eine Buche an. Und der Baum starrt empört zurück und raschelt zustimmend mit seinen Zweigen. Petra ist auf einmal auch verdächtig geschäftig. "Ach, wir haben ja gar keinen Flaschenöffner. Du, ich hol den mal schnell, ja?" Schnellischnelli. Huschihuschi. Wie ich ihre Ausreden hasse. Bleibt nur noch Bernd übrig. Er kratzt sich am Kopf. Er zerfließt fast unter meinen bohrenden Blicken. "Ich hab das noch nie gemacht", jammert er. "Aber immer prima mitgegessen hast du, was? Die Gabel schön als erster ins fleischige Steak pieksen, wie?" "Na, ja..." "Ganz genau." "Aber guck mal", er zieht ein schwarzes Notizbuch raus, "diesmal schreibe ich mir mal auf, wie du das machst. Ich schreib´s hier rein, wie die Kohle liegen muss und so... für nächstes Mal" Ich fass es nicht. Es übersteigt meine rationale Erkenntnis, Bestandteil der menschlichen Rasse zu sein. "Schreibst du da auch rein, wie du deine Wohnungstür aufschließt? Oder wie man sicher über eine Straße geht...?" "Versteh ich jetzt nicht...", er durchblättert mit flinken Fingern in hektischer Betriebsamkeit die leeren Seiten seines Büchleins. Eine schäbige Übersprungshandlung. Billige Verweigerungstaktiken. Die Ausreden eines Fünfjährigen. Was soll´s... Eine halbe Stunde später stehe ich noch immer im Park. Wie üblich mit schwarzen Kohlespuren an den Händen, im Gesicht und auf dem Hemd. Das Feuer peitscht mir in die Augen. Schweiß läuft über meine Stirn. Vor mir sitzen die drei Grillverweigerer im Gras und amüsieren sich prächtig. Die Prosecco-Gläser klirren. Es wird gescherzt und herumgealbert. Die zwei gewaltigen Schatten hinter mir nehme ich erst mal gar nicht wahr. "Grillen is hier nich erlaubt. Steht doch überall dran." In diesem Moment lasse ich Spuren von Dümmlichkeit auf meinem Gesicht zu. Ratlosigkeit und eine Prise Schock packe ich noch oben drauf. Ein guter Mix. Und da stehen sie. Zwei gut genährte Ordnungsbeamte. Beide tragen Schnäuzer und verspiegelte Sonnenbrillen. Beide erinnern mich an den singenden Bauarbeiter der Village People. Nur eben in dick. "Ich sehe hier kein Schild. Wo soll denn eins sein? Village-People 1: "Da hinten." Ich: "Da ist keins." Village-People 2: "Weil´s einer runtergerissen hat (seine bösen Augen glotzen mich über den Brillenrand an)." Village People 1 könnte jetzt rufen: "Hände in die Luft, wo ich sie gut sehen kann." Tut er aber nicht. Stattdessen: "Würstchen vom Grill. Feuer ausmachen. Sofort." Blöde Situation. Wer ist der good cop? Wer ist der bad cop? Beide sehen gleich finster aus. Böser Bube x2 - im handlichen Berliner Doppelpack sozusagen. Toll. Die Barthaare unter den Beamtennasen vibrieren leicht. Über beiden Bäuchen haben sich feine Schweißlachen gebildet. Das Spiel geht weiter. Village People 1: "Passense uff. Da oben uffem Berg is´n Grillplatz. Schleppen se dat Ding doch da hin. Da isses erlaubt. Klar? " "Der Platz wird doch schon seit Monaten als Hundeklo benutzt. Sollen wir uns beim Essen durch die Kothaufen wälzen?", konter ich genervt. "Mir schnuppe. Jetze aber weg hier. SOFORT." Village People 2: " Macht zwanzich Euro. Jetzt. Komm se, komm se, komm se..." Sie genießen es. Die blauen Uniformen prall gespannt. Die Hände am Gürtel aufgestemmt. So lauern sie auf das Rascheln des Geldscheins. Zwanzig Euro. Ich habe gar kein Geld mit. Bernd und Petra zucken mit den Schultern. Die auch nicht. Nur Claudine guckt unheimlich amüsiert. "Zwanzich Euro, oder ick schreib die Personalien auf. Dann wird´s noch mal teurer. Is anjekommen, die Nachricht, ja?", schnauzt Village People 2 zu uns herüber. Und Nummer Eins singt das Lied seines Kollegen noch einen Takt lauter mit, "Keen Theater jetze hier. Wenn se Geld für Steaks ham, können se och die Strafe zahlen." Eine unheimliche Logik. Blöde Situation. Kein Geld mit, und den Personalausweis schleppt sowieso keiner von uns mit sich herum. "Wir können auch gleich die Polizei rufen. Wollen Se dat? Ja?" Bernd und Petra gucken sich an. Schweigend. Schulzerzuckend. Ratlos. Dann wird ein Theatervorhang aus rotem Samt aufgezogen. Auftritt Claudine. Sie schwingt sich vom Grasboden auf und trippelt in vier kurzen Schritten mit ihren rotlackierten Zehennägeln auf die Schnäuzer zu, "ach, was. Regen Sie sich doch nicht so auf, meine Herren. Ich bezahl das jetzt mal. Sie wollen ja auch nicht mehr hier in der Hitze stehen, oder? Ist ja auch ein anstrengender Job." Die beiden blicken sich überrascht an. Es wirkt besonders komisch, weil sich der eine Schnäuzer in der Sonnenbrille des anderen gewaltig widerspiegelt. Claudine zuppelt an der Tasche und hält ihnen das Geld hin. Die beiden gucken den Schein wie einen Marsmenschen an. "Wollen se uns jetze verarschen? Was soll´n der Scheiß?", brubbelt es aus den Mündern der Ordnung. Es ist ein Fünhundert Euro Schein. Prächtig lila. Mit sattem Knistern. Im prallen Sonnenlicht entfaltet wie ein Schmetterling in der Blüte seines Lebens. "Verzeihung. Sie haben uns eine Strafe aufgebrummt, und ich zahle jetzt." "Neee, neee Madame... so nich..." "Doch, genau so. Oder ist das Bezahlen mit einem großen Schein nicht erlaubt? Sie können doch wechseln, oder?" "Neee, sie wechseln den jetzt mal sofort", schnauzt es zurück. "Dazu bin ich nicht verpflichtet. Da hinten am Ende des Parks ist eine Tankstelle. Sie können mir ihren Ausweis zeigen, ich gebe ihnen den Schein und sie bringen mir einfach das Wechselgeld zurück", säuselt Claudine. Die Vögel zwitschern nicht mehr. Eine graue Wolke zieht vor die Sonne. Die Geräusche im Park verstummen. Die Welt steht für eine Sekunde still. Oder auch zwei. Es sind Momente, die man vor dem Ausbruch einer gewaltigen Eruption erwarten würde. Aber sie kommt nicht. Stattdessen drehen sich die beiden Beamten in vollendeter Fassungslosigkeit um und watscheln davon. Ein dünnes "aber beim nächsten Mal" ist noch zu hören. Das war´s. Claudine setzt sich wieder hin. Unsere von Neugier geplagten Gesichter entgehen ihr nicht. "Ja, der Schein ist echt. Den hat mir meine Mutter vor fünf Jahren zum Geburtstag geschenkt. Damals hat sie noch gesagt, ich soll ihn nicht ausgeben, weil er mir so viel mehr bringt. Stimmt doch, oder? Hat bis jetzt immer super geklappt. Ach, ja..." Unsere Königin nippt an ihrem Glas und blinzelt in die Sonne. Und wir, ihre getreuen Untertanen, neigen unsere Häupter in der leichten Brise, die uns an diesem heißen Sommertag lächelnd umspielt. |